Kinderarmut im Blick

Zugänge schaffen für arme Kinder und Familien im Landkreis Osnabrück

Banner Kinderarmut

Armut ist ein strukturelles Problem und eine der größten kommunalen Herausforderungen. Daher widmet sich der Landkreis Osnabrück seit 2017 systematisch dem Thema Kinderarmut, unter anderem in Kooperation mit der Landeskoordinierungsstelle „Präventionsketten Niedersachsen“.

Auf dieser Webseite finden Sie Arbeitshilfen und Instrumente zum Thema Armutssensibilität. Diese sollen Fachkräfte, die mit Kindern und Familien arbeiten oder Projekte für diese Zielgruppe entwickeln, bei ihren Vorhaben unterstützen.

Was kann ich im Arbeitsalltag tun, damit arme Kinder und ihre Eltern am gesellschaftlichen Leben besser teilhaben können?

Überprüfen Sie Ihre Arbeit und nutzen Sie unsere Arbeitshilfen, um bestehende oder neue Projekte armutssensibel zu gestalten!

Hintergrundinformationen zum Thema Kinderarmut

Durch aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen (Corona-Pandemie, Energiekrise, Ukraine-Krieg, …) hat sich die Situation vieler (armutsbetroffener) Familien noch verschärft. Umso relevanter ist es, sich vor Augen zu führen, in welchen Lebensbereichen sie deutliche Einschränkungen erfahren, damit diesen adäquat begegnet werden kann.

Armut zeigt sich im Alltag von Familien manchmal sehr deutlich, manchmal aber eben auch versteckt – vor allem dann, wenn das wirtschaftliche Einkommen einer Familie am unteren Rand liegt, oder sie Leistungen des SGB II nicht in Anspruch nehmen. Nicht alle Familien kennen eventuelle Unterstützungsansprüche oder wollen sie in Anspruch nehmen.

Armut weckt zunächst die Assoziation mit einem Mangel an Geld, und auch im Verwaltungsalltag wird die Kategorie Einkommensarmut in der Regel hinzugezogen, um das Ausmaß an Betroffenheit innerhalb bestimmter Bevölkerungsgruppen abzuschätzen (z. B. SGB II-Quoten, relative Armutsquote in Form von Einkommensvergleichen, Schichtindizes, …).

Grafik zur Kinderarmut

Doch die Folgen von Armut sind weitaus vielschichtiger als Geldknappheit: Denn Armut wirkt sich vor allem auch negativ auf die Chancen auf Bildung, Gesundheit und soziale Beziehungen aus. Für Kinder bedeutet das Aufwachsen in einer von Armut betroffenen Familie besonders schwere Folgen – für ihre aktuelle Entwicklung und ihre spätere gesellschaftliche Situation.

Arme Kinder sind Teil armer Familien, daher sollten immer beide Gruppen Beachtung finden

Häufig erleben sie im Alltag...

  • finanziellen Druck (Geld genügt nicht für angemessenen Wohnraum, unvorhersehbare Ausgaben, Reparaturen oder ausgewogene Ernährung. Auch kleinere Wünsche der Kinder können nicht erfüllt werden.),
  • materiellen Mangel (Wichtige Anschaffungen können nicht getätigt werden.),
  • geringe Handlungsspielräume (Sparen für die Zukunft bzw. Bildung von anlassbezogenen Rücklagen ist nicht möglich.),
  • soziale Isolation (Unterstützungsnetzwerke bestehen kaum. Teilnahme an kulturellen und anderen Freizeitaktivitäten ist selten möglich. Einladungen anderer Personen müssen abgelehnt werden.),
  • Scham (Kinder und Eltern erleben Erklärungsnot gegenüber Behörden, Institutionen, Fachkräften, Verwandten, Gleichaltrigen.) sowie
  • Diskriminierung (Familien fühlen sich von Institutionen abgelehnt oder ausgegrenzt.).

Relative Einkommensarmut (Ressourcenansatz):
Armutsgefährdung unterhalb von 60% des durchschnittlichen Nettoeinkommens je nach Land/Region

Absolute Armut:
Nichtvorhandensein von lebensnotwendigen Basen wie Wohnraum, Nahrung, Kleidung

Armut als Bezug von staatlichen Grund- und Mindestsicherungsleistungen:
dazu zählen SGB II-Leistungen, Sozialhilfe, Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen und Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz

Armut als materielle Deprivation (Lebensstandardansatz):
Betrachtung von individuellen Entbehrungen in Bezug auf die Standards einer Gesellschaft

Subjektive Einkommensarmut:
Das Empfinden der eigenen Situation ist entscheidend

Die fachdienstübergreifend besetzte Arbeitsgruppe Präventionsketten hat beispielhaft relevante verwaltungsbezogene Arbeitsfelder und Aufgaben gesammelt, in denen das Thema Kinderarmut eine direkte oder indirekte Rolle spielt.

Obwohl kein Anspruch auf Vollständigkeit besteht, wird deutlich: In allen Fachdiensten und Referaten gibt es Berührungspunkte!

  • Klicken Sie hier (PDF) für eine Übersicht der Fachdienste, Referate mit den jeweiligen Berührungspunkten! 
  • Klicken Sie hier für die digitale Pinnwand mit Informationen zu Kinderarmut & Armutssensibilität!

Im bundesweiten Vergleich ist die Kinderarmutsquote des Landkreises Osnabrück mit 6,16 Prozent vergleichsweise niedrig (Deutschland: 13,21 Prozent). Dennoch gibt es großen Handlungsbedarf!

Es existieren deutliche Unterschiede zwischen den Landkreisgemeinden und auch innerhalb der Ortschaften und Nachbarschaften.

Besonders häufig von Armut betroffen sind Kinder aus alleinerziehenden Familien, Kinder mit mehr als zwei Geschwistern und Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund.

  • SG Artland - 8,80 Prozent
  • SG Fürstenau  - 10,70 Prozent
  • SG Bersenbrück - 5,34 Prozent
  • SG Neuenkirchen - 2,82 Prozent
  • Bramsche  - 5,46 Prozent
  • Ostercappeln  - 3,64 Prozent
  • Bohmte - 6,04 Prozent
  • Wallenhorst - 5,68 Prozent
  • Belm - 10,88 Prozent
  • Bissendorf  - 3,89 Prozent
  • Bad Essen - 5,03 Prozent
  • Hasbergen - 5,79 Prozent
  • Hagen a.T.W. - 4,85 Prozent
  • Georgsmarienhütte - 9,06 Prozent
  • Melle - 4,90 Prozent
  • Bad Iburg - 5,74 Prozent
  • Hilter a.T.W. - 4,56 Prozent
  • Glandorf - 2,24 Prozent
  • Bad Laer - 5,06 Prozent
  • Bad Rothenfelde - 5,77 Prozent
  • Dissen a.T.W. - 7,70 Prozent

(SG = Samtgemeinde)

Datenbasis
Statistik Bundesagentur für Arbeit: Bestand an Personen unter 15 Jahren in SGB II-Bezug
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Bestand an Personen (PERS) unter 15 Jahren, revidierte Zahlen des Berichtsmonats Dezember 2020, Daten nach Wartezeit von 3 Monaten, Auftragnummer 316706.
Eigene Berechnungen des Landkreises Osnabrück, Jugendamt (Janna Fabian)
Bevölkerungsbestandszahlen vom 31.12.2020
Quelle: Landesamt für Statistik Niedersachsen (Onlinedatenbank – Tabelle A100002G) und Statistisches Bundesamt (Gensis-Online – Tabelle 12411-0005)
Zusammenstellung: Landkreis Osnabrück, Referat für Kreisentwicklung (Bernward Lefken)

Hilfsmittel im Arbeitsalltag

Warum eine Checkliste Kinderarmut?

In Ergänzung zum 2019 verabschiedeten  Leitbild gegen Kinderarmut nähert sich diese Webseite dem Themenkomplex von einer praktischen, im Verwaltungsalltag umsetzbaren Seite – und zwar in Form einer Checkliste für den Arbeitsalltag.

Diese Checkliste sensibilisiert Fachkräfte in und außerhalb der Verwaltung für die Arbeit mit von Armut betroffenen Familien. Dabei geht es vor allem darum, die Teilhabe armer Familien in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens sicherzustellen, ihnen Zugänge zu Leistungen des Unterstützungssystems zu schaffen und eventuelle Versorgungslücken zu schließen.

Mit dieser Arbeitshilfe können bestehende und zukünftige Angebote, Leistungen und Planungen im Hinblick auf eine armutssensible Ausrichtung überprüft und konzipiert werden.

Wir möchten ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Fragesystematik zur Reflexion und zum Diskurs in allen relevanten Arbeitsbereichen anregen und eine Überprüfung der eigenen Handlungs- und Arbeitsweise befördern soll. Es soll nicht darum gehen, zukünftig alle Aktivitäten im Landkreis ausschließlich auf arme Familien hin auszurichten – vielmehr ist das Ziel, sich ihrer Situation bewusst zu werden und insbesondere ihnen eine bessere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen!

Diese Checkliste kann und soll das Auftreten von Armut nicht verhindern – wohl aber den Umgang mit ihr verändern. Neben einem sensibleren Umgang mit dem Thema braucht es grundsätzlich bessere (bundespolitische) Rahmenbedingungen, die dem Ursprung von Kinder- und Familienarmut konsequent entgegenwirken!

Wozu können Sie die Checkliste nutzen?

  • Zur kritischen Auseinandersetzung bei der Neu-/Weiterentwicklung und Konzeption von Leistungen
  • Zur kritischen Überprüfung bestehender Leistungen, insb. auch daraus entstehender (Folge-)Kosten für Familien
  • Als Reflexionsgrundlage für Ihre Kenntnis über und Zusammenarbeit mit armen Familien
  • Als Gesprächsgrundlage mit Kolleginnen und Kollegen

Welche Aufgaben lassen sich damit überprüfen?

  • Verfahren(swege) / Abläufe der Leistungserbringung
  • Formulare
  • Leistungen
  • Angebote für Kinder und Familien
  • Veranstaltungen

Drei Versionen für mehr Praktikabilität

  • Onlineversion: direkt interaktiv ausfüllen und dann ausdrucken
     
  • Langversion: enthält detaillierte Anregungen zum armutssensiblen Verwaltungshandeln (PDF-Datei)
     
  • Kurzversion: enthält komprimierte Reflexionsfragen für den schnellen Gebrauch (PDF-Datei)

Erklärfilm Checkliste Armutssensibilität

Erklärfilm Checkliste Kinderarmut

Werkzeugkoffer zur Bedarfs- & Bedürfniserhebung im Rahmen kommunaler Armutsprävention

Kinder wachsen mit unterschiedlichen Voraussetzungen auf. Um allen Kindern möglichst gleiche Chancen auf ein gesundes Aufwachsen sowie auf Bildung und Teilhabe zu ermöglichen, ist es notwendig, die Bedürfnisse von Kindern, ihren Familien und den Fachkräften in der eigenen Kommune zu kennen.

Im Landkreis Osnabrück hat daher exemplarisch die Samtgemeinde Fürstenau 2019/2020 entsprechende Befragungen durchgeführt, um mehr über die Bedarfe und Wünsche von lokalen Fachkräften, Eltern und Kindern zu erfahren. Die Hauptfragestellungen lauteten:

  • Wie müssen kommunale Angebote für Familien gestaltet sein, damit diese auch die gewünschte Zielgruppe ansprechen?
  • Was fehlt Fachkräften, Eltern und Kindern? Was wünschen sie sich?
  • Kennen und nutzen die Familien und Fachkräfte die entsprechenden Unterstützungsmöglichkeiten durch das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT)?

Der Landkreis Osnabrück bietet nun allen Kommunen, die die Teilhabe aller Kinder und Familien in ihrer Kommune fördern und durch entsprechende passgenaue Angebote unterstützen möchten, einen Werkzeugkoffer zur Durchführung verschiedener Befragungen an.

Im Werkzeugkoffer sind folgende Dokument-Vorlagen enthalten:

  • ein Fragebogen für eine Fachkräftebefragung
  • ein Kurzfragebogen für Eltern mit erklärendem Anschreiben (beides ebenfalls in Leichter Sprache)
  • Material und Anleitungen für die Durchführung einer Kinderbefragung in der Grundschule

Alle Befragungen können natürlich auch einzeln durchgeführt werden.

Bei Fragen zur Durchführung und Auswertung melden Sie sich gerne bei uns!

Kontakt

Janna Fabian

Fachdienst Jugend, Landkreis Osnabrück

Deutschland

Christina Kruse

Präventionsketten Niedersachsen

Deutschland

Förderung

Logo der Präventionsketten

Die Checkliste wurde im Rahmen des Programms Präventionsketten Niedersachsen im Landkreis Osnabrück (2017-2020) entwickelt.